Dr. Angelika Paseka: Frau in der Kirche - 26.2.2006 |
Gehalten am Sonntag, 26.2.2006, im Rahmen der 10 Uhr Gemeindemesse der Pfarrgemeinde Gersthof-St.Leopold, Wien 18.
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Von „Die Frau in der Kirche“ zu „Gender
im kirchlichen Mainstream“
Liebe Gemeinde! Ich bin keine Theologin, sondern Soziologin, tätig in der Lehrer/innenaus- und -fortbildung. Einer meine Schwerpunkte sind dabei geschlechtertheoretische Fragestellungen ebenso wie Fragen nach einer geschlechtergerechten Pädagogik. Mit Theologie habe ich also wenig zu tun. Mein zweites Problem war grundsätzlicher Art – bedingt durch
das Thema: DIE Frau in der Kirche. Wenn ich aber in den Raum blicke,
so sehe ich nicht DIE Frau. Ich sehe ... Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, doch egal wie lang
sie ist, das Resultat ist: Daraus ergibt sich die nächste Frage: Gibt es DEN Mann in der Kirche? Das Thema hat also einen „Haken“, weil es den Blick nur
auf zwei Punkte richtet: da DIE Frau, dort DER Mann. Um das möglich zu machen, habe ich vorgeschlagen das Thema ein wenig zu ändern und ein neues Wort einzuführen: Gender Mainstreaming. Es stammt aus dem Bereich der Geschlechterpolitik und wurde 1998 von der EU proklamiert. Ich will dieses Wortungetüm kurz erläutern, denn vielleicht hilft es uns, und damit meine ich: der Kirche, weiter, hilft vielleicht neue Perspektiven zu erkennen unter der Vermeidung von einschränkenden Polarisierungen. Gender Mainstreaming setzt sich aus zwei Wortteilen zusammen: Der Begriff bedeutet: Die Kategorie „Geschlecht“ ist in
den Hauptstrom zu bringen, d.h. bei allem Tun und Handeln, bei allen
Aktivitäten, Angeboten und Programmen in Organisationen ist die
Kategorie „Geschlecht“ mitzudenken und zu fragen: Was bedeutet
diese oder jene Aktion, dieses oder jenes Handeln für Frauen UND
für Männer? ... bedeutet nicht neue Lappen auf ein altes Kleidungsstück zu flicken, sondern verlangt ein neues Gewand zu schneidern, das für einen anderen Stil steht und vielfältige Dimensionen berücksichtigt. Gender in den kirchlichen Mainstream zu bringen ... bedeutet, Vielfalt ernst zu nehmen, Vielfalt wahrzunehmen, nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung. Gender in den kirchlichen Mainstream zu bringen... heißt, Ausgrenzungen zu hinterfragen und aufzubrechen, bedeutet, Fremdes und Unbekanntes zu wagen, bedeutet, Tabus zu brechen, bedeutet: Mut. Jesus war mutig: Er hat mit Traditionen gebrochen und Neues gewagt: Jesus hatte keine Berührungsängste mit Frauen: ... bedeutet, dass die Organisation Kirche und in dieser diejenigen, die Gestaltungsmacht haben, aufgerufen sind zu hinterfragen, ob die Organisationsstrukturen der Vielfalt der Menschen und ihrer Talente gerecht werden, oder ob nicht Begabungen vergeudet werden, weil bestimmte Personengruppen für bestimmte Aufgaben nicht zugelassen werden. Gender in den kirchlichen Mainstream zu bringen... bedeutet Differenzen wahrzunehmen, und zwar nicht nur die zwischen Frauen und Männern, sondern auch die innerhalb der Gruppe der Frauen wie der Männer; bedeutet weiters diese Differenzen im Sinne einer gleichwertigen Vielfalt zu interpretieren und zum Segen für alle einzusetzen. Annedore Prengel, eine Erziehungwissenschafterin, prägte den Begriff „Pädagogik der Vielfalt“, wie wäre es daher mit: Kirche der Vielfalt? Gender in den kirchlichen Mainstream zu bringen... braucht Menschen, die ihre vielfältigen Begabungen einbringen, der Kirche nicht den Rücken kehren, sondern mutig fordern und ihre Ansichten vertreten und ihre Talente einbringen, Frauen ebenso wie Männer. Auf meinem Schreibtisch habe ich einen Satz von Rabindranath Tagore,
einem bengalischen Philosophen und Dichter, hängen: Dieser Ausspruch hat mir in vielen Situationen geholfen. Auch beim Thema Frau in der Kirche gibt er mir Kraft und Zuversicht. Ich glaube, dass wir Menschen nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurden, in Vielfalt geschaffen wurden. Denn Gott ist nicht eindimensional, sondern Gott füllt und durchdringt Raum und Zeit in vielen Facetten und Gestalten. Wenn „Kirche“ ihrem Gott gerecht werden will, so gilt es die vielfältigen Schätze in seinem Sinne zu nutzen, zu beleben und zu leben. |