„Apokalyptische Neigungen“

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mwsat-20141123-IMG_0643Heute könne man durchaus „apokalyptische Neigungen“ bekommen, wenn man auf die österreichische Innenpolitik, die Situation österreichischer Medien und die Weltwirtschaft schaue, stellte Michael Fleischhacker, Chefredakteur von „Neue Zürcher Zeitung – Österreich“ (nzz.at) beim Bildungsfrühschoppen der Pfarre am 23.11. fest.

An der aktuellen Politik in Österreich kritisierte der frühere Chefredakteur von Die Presse, dass diese von einer „wissenden Untätigkeit“ geprägt sei. Es gebe eine Architektur der politischen Institutionen, die sich seit dem Ständestaat in den 1930er-Jahren nicht wesentlich geändert habe und sogar noch immer tiefer in Stein gemeißelt werde. So sehe er die Verankerung der Sozialpartner in der österreichischen Verfassung als übergroße Anerkennung eines bestimmten politischen Systems. Da überdiese eine Mehrheit der Nationalratsabgeordneten ihr Einkommen von öffentlichen Einrichtungen beziehe, sehe er keine Chance, dass dieses festgefahrene System freiwillig geändert werde. Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht überraschend, dass die österreichischen Politiker sehr wohl um die anstehenden Probleme in Land wüssten und auch die notwendige Änderungen kennen, aber keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Die Politiker wüssten sehr wohl, was zu tun wäre, aber keiner tue etwas, weil alle Änderungen schlecht ankommen, stellte Fleischhacker fest.

Zur Situation der Medien in Österreich stellte er fest, dass die weltweite massive Bewegung in Richtung Digitalisierung der Nachrichten in diesem Land zur zögerlich voranschreite. Der Grund dafür sei, dass „Österreich kein Medienmarkt ist“, denn bei rund 30% der Werbeeinnahmen der Medien aus der öffentlichen Hand, das sind rund 200 Mio. EUR, halte dies künstlich einen Status Quo aufrecht. Er wolle diesen Geldfluss nicht direkt als Korruption der Medien bezeichnen, aber es ist unbestritten, dass diese reiche Geldquelle österreichische Medienunternehmen beeinflusse.

Zur den aktuellen Problemen der Weltwirtschaft sagte Fleischhacker, dass diese vor allem durch zu billiges Geld der Notenbanken bestimmt seien. Es scheine so, als ob man mit einer Geldschwemme alle Probleme lösen könne, obwohl zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler daran ausdrücklich zweifeln.

Diskussion mit dem früheren Vizekanzler Pröll

mwsat-20141123-IMG_0648In einer anschließenden Diskussion mit den rund 40 Teilnehmern am Bildungsfrühschoppen ging es vor allem um die Vorgänge rund um die Hypo-Alpe-Adria Bank, eine durchgreifende Verwaltungsreform in Österreich und die Flucht vieler junger Menschen aus dem öffentlichen Leben. Der in Gersthof lebende frühere Vizekanzler Josef Pröll stellte als Teilnehmer dieser Diskussion fest, dass er auch in seiner Zeit in der Bundespolitik viele der von Fleischhacker angesprochenen Mängel festgestellt habe, aber selbst die Position des Obmanns der Bundes-ÖVP reiche dazu nicht aus, Änderungen herbeizuführen. Zu bestimmend seien die Interessen der hinter den Bundesparteien stehenden Länderorganisationen und der Sozialpartner.