Predigt in der Weihnachtsmette 2008
Von Pfarrer Dr. Norbert Rodt

 

Poststreik mit Streikposten Mitte Dezember, davor schon Finanz- und damit Weltwirtschaftskrise mit Kursverfall und Zinssenkungen, AUA-Desaster, waren in diesen Tagen des Advents Schlagzeilen und sogenannte Aufmacher, um nicht zu sagen Aufreger.
Zu alle dem sind „Vorweihnachtszeit mit Sternstunden“ und dazu noch „Starmania“ als Massenbegeisterung harmlose Events.

I.
Schon im 8. Jahrhundert vor Christus sieht der blinde Seher Bileam „ein Stern geht in Jakob auf…“ (Num 24,17).
Neutestamentlich gedeutet wird der Morgenstern (übersetzt aus dem alt-griechischen Originaltext: Lichtbringer) aufgrund eines alten messianischen Symbols auf Christus hin. (2 Petr 1,19). Auch der Stern von Betlehem scheint ein Zeichen für den Messias zu sein. Dieses unübersehbar helle Zeichen wurde mit dem Thema „Licht“, das über den Völkern aufgeht, verknüpft. (Jes 19,1; 60,1; vgl. Lk1,78)
Also: Jesus Christus, der Messias, Stern einer neuen Zeit und Welt!
Die Schlagzeilen und Aufmacher unserer Tage mit all ihren Folgen drücken unseren Blick von Höhen in die Tiefe. Damit bleiben Sterne in den Höhen ungesehen. Denn Erfolgskurven und Steigerungszahlen verfallen zum „Minuswachstum“ und fallen in den Keller!
Die Sonne als uns nächster Stern für Christus als „Sonne der Gerechtigkeit“ und als „Morgenstern“ beeindrucken wenig, kaum, gar nicht mehr ….
Wie entdecke ich als in der heutigen Welt lebender Mensch, bedrückt, enttäuscht, verschuldet, behindert, wie entdecke ich als in der heutigen Welt lebende Christin und heute lebender Christ diese himmlischen, die kosmischen Zeichen als Hilfen für mein Leben?

II.
Meine heutige, weihnachtliche Antwort dazu: Im kirchlichen Biotop, d.h. „lebendiger, überzeugender Lebensort“, spiegelt sich für mich der Stern aus der Höhe, der Morgenstern, Jesus Christus. In ihm ist Gott Mensch geworden: Kraft für heute und Hoffnung für Zukunft.
Als 33 Jahre lang hier lebender Pfarrer bedanke ich mich, dass diese Pfarrgemeinde Gersthof-St. Leopold (innerkirchlich registriert als 9160), ein Biotop ist, in dem der Stern in der Höhe sich eindeutig erkennbar widerspiegelt.
Aber unsere Zeit und ihr Geist sind gefahrvoll! Denn heutige christliche Biotope mit (kath.) christlicher Lebensgestaltung drohen, die folgenden Bilder sind aus Chemie und Mineralogie entlehnt, bedrohliche Zukünfte, nämlich

  • Versalzung. Diese geschieht durch eine überzogene Zufuhr von Natriumchlorid, d.h. theologisch: Rückschritte auf vorkonziliare Zeiten. Eine solche „Suppe“ schmeckt heute nicht mehr, denn wir leben schon vier Jahrzehnte lang nach diesem II. Vatikanischen Konzil und seiner damals mehr als notwenigen Erneuerungen.
  • Verseifung. Zersetzung zusammen gesetzter Äther (Ester) durch Akalien oder andere Agenzien, speziell die Bildung von Seifen aus Fetten durch Behandlung mit Alkalien (vgl. Wikipedia); d.h. theologisch: der Konzilsgeist mit den nun Verstorbenen, Kardinal König, Weihbischof Florian, Bischofsvikar Berger und Priester meiner Pfarrergeneration, die erlahmt, pensioniert ist, oder schon im Grab liegt, stirbt aus.

Dazu kommt noch: die erste nachkonziliare, glaubwürdig und überzeugend, d.h. missionarisch lebende Generation von Frauen und Männern, allg. Laien (abgeleitet von laoV, Volk Gottes) genannt, altert, stirbt und fehlt.
-    Verkarstung. Heuer zu Pfingsten haben einige von uns in Piran (Slowenien) und Umgebung gelernt, was das bedeutet: an Wassern arme Oberflächen werden unfruchtbar, sie ver-karsten, die Wasser ver-sickern, je nach Boden und Gestein, und fließen unterirdisch mit Hinterlassen fantastischer Spuren ab. D.h. theologisch: das ohnehin damals schon verspätet erneuerte Kirchenbild beginnt in unseren Tagen wie ein alter Motor zu stottern. Es fehlt am Sprit des Geistes. Das Wasser der Begeisterung versickert.

  • Versinterung. Einfach gesagt ist das eine mineralogische Ablagerung, d.h. theologisch: begeisternde und trotz Überbelastung glaubwürdige Priester, Großstadtpfarrer und Religionsprofessoren, ea. MitarbeiterInnen in PGR und anderen kirchlichen Gremien, gleichen wie aus ehemaligen Zeiten stammenden „Seligen und Heiligen“. Aber Stalaktiten und Stalagmiten sind in Tropfsteinhöhlen überzeugend, nicht in unserer heutigen Kirche.

III.
Was braucht es für den Lebens- und Lernort „Kirche in Wien“, konkret Gemeinde in Gersthof?
Die einzige, mir bekannte und bewusste Maßnahme ist: Tiefbohrung. Lebendiger Glaube muss sich mehr denn je zeitgemäß ausdrücken! Überzeugende Hoffnung muss zur adäquaten Taten führen. Hingebende Liebe schafft wirksame Zeichen.
Ich bin überzeugt, dass in Kindern und Jugendlichen, Alt-eingesessenen und Neu-zugezogenen, in jungen und alten, kirchen-intensiven und kirchen-fernen Menschen neue, bisher noch unbekannte Quellen sprudeln (werden).

IV.
Sie können mir jetzt entgegen halten: Durch sprudelnde Quellen entsteht ein unruhiger Biotop, darin kann sich kein Stern erkennbar spiegeln! Ich bin überzeugt, dass in einem solchen Biotop Jesus Christus, geboren als Kind, erhöht am Kreuz, auferstanden lebendig erfahrbar wird. Denn Kirche und Gemeinde ist kein ruhiger Wellness-Pool, sondern eben ein Biotop, gespeist aus sprudelnden Quellen des Geistes.
So ist also eine Gemeinde der ChristInnen, unsere Gemeinde, Hilfe zur persönlichen Abstützung des Glaubens in einer anders lebenden Umwelt als eine Gemeinschaft von Erlösten, in der Christus lebendig ist: „Oase in der Diaspora“ (Karl Rahner, vgl. Herzlichst Anton Berger, Nov/Dez 1994).
Umgeben von versalzenen oder verkarsteten Regionen tatsächlich Gottes Biotop in dem sich heute Nacht Jesus Christus als Morgenstern spiegelt soll diese Gemeinde sein und bleiben, das erbitte ich, das wünsche ich weihnachtlich hoch erfreut als euer Pfarrer: