Das lächelnde Christkind

Worüber das Christkind lächeln musste

(Ein Text von Karl Heinrich Waggerl)

Als Josef mit Maria von Nazareth her unterwegs war,
um in Bethlehem anzugeben, dass er von David abstamme
– was die Obrigkeit so gut wie unsereins
hätte wissen können, weil es ja längst geschrieben
stand -, um jene Zeit also kam der Engel Gabriel,
heimlich noch einmal vom Himmel herab, um im
Stalle nach dem Rechten zu sehen.

Es war ja sogar für einen Erzengel in seiner Erleuchtung
schwer zu begreifen, warum es nun der allererbärmlichste
Stall sein musste, in dem der Herr zur
Welt kommen sollte, und seine Wiege nichts weiter
als eine Futterkrippe. Aber Gabriel wollte wenigstens
noch den Winden gebieten, dass sie nicht so grob
durch die Ritzen pfiffen, und die Wolken am Himmel
sollten nicht gleich wieder in Rührung zerfließen und
das Kind mit ihren Tränen überschütten, und was
das Licht in der Laterne betraf, so musste man ihm
noch einmal einschärfen, nur bescheiden zu leuchten
und nicht etwa zu blenden und zu glänzen wie
der Weihnachtsstern.

Der Erzengel stöberte auch alles kleine Getier aus
dem Stall, die Ameisen und Spinnen und Mäuse, es
war nicht auszudenken, was geschehen konnte,
wenn sich die Mutter Maria vielleicht vorzeitig über
eine Maus entsetzte! Nur Esel und Ochs durften
bleiben. Der Esel, weil man ihn später ohnehin für
die Flucht nach Ägypten brauchte, und der Ochs,
weil er so riesengroß und so faul war, dass ihn alle
Heerscharen des Himmels nicht hätten von der Stelle
bringen können.

Zuletzt verteilte Gabriel noch eine Schar Engelchen
im Stall herum auf den Dachsparren, es waren solche
von der kleinen Art, die fast nur aus Kopf und Flügeln
bestehen. Sie sollten ja auch bloß still sitzen
und Acht haben und sogleich Bescheid geben, wenn
dem Kinde in seiner nackten Armut etwas Böses
drohte. Noch ein Blick in die Runde, dann hob der
Mächtige seine Schwingen und rauschte davon.
Gut so. Aber nicht ganz gut, denn es saß noch ein
Floh auf dem Boden der Krippe in der Streu und
schlief. Dieses winzige Scheusal war dem Engel Gabriel
entgangen, versteht sich, wann hatte auch ein
Erzengel je mit Flöhen zu tun!

Als nun das Wunder geschehen war, und das Kind
lag leibhaftig auf dem Stroh, so voller Liebreiz und so
rührend arm, da hielten es die Engel unterm Dach
nicht mehr aus vor Entzücken, sie umschwirrten die
Krippe wie ein Flug Tauben. Etliche fächelten dem
Knaben balsamierte Düfte zu, und die anderen zupften
und zogen das Stroh zurecht, damit ihn ja kein
Hälmchen drücken oder zwicken möchte. Bei diesem
Geraschel erwachte aber der Floh in der Streu.
Es wurde ihm gleich himmelangst, weil er dachte, es
sei jemand hinter ihm her, wie gewöhnlich. Er fuhr in
der Krippe herum und versuchte alle seine Künste,
und schließlich, in der äußersten Not, schlüpfte er
dem göttlichen Kinde ins Ohr.

„Vergib mir!“, flüsterte der Floh atemlos, „aber ich
kann nicht anders, sie bringen mich um, wenn sie
mich erwischen. Ich verschwinde gleich wieder, göttliche
Gnaden, lass mich nur sehen, wie!“ Er äugte
also umher und hatte auch gleich einen Plan. „Höre
zu“, sagte er, „wenn ich alle Kraft zusammennehme
und wenn du still hältst, dann könnte ich vielleicht
die Glatze des heiligen Josef erreichen, und von dort
weg kriege ich das Fensterkreuz und die Tür“ …
„Spring nur“, sagte das Jesuskind unhörbar, „ich halte
still!“ Und da sprang der Floh. Aber es ließ sich
nicht vermeiden, dass er das Kind ein wenig kitzelte,
als er sich zurechtrückte und die Beine unter den
Bauch zog.

In diesem Augenblick rüttelte die Mutter Gottes
ihren Gemahl aus dem Schlaf. „Ach, sieh doch!“ sagte
Maria selig, „er lächelt schon!“

(Den Text hat Ursula ausgesucht.)