Predigt am Palmsonntag 2023

Predigt von PastAss Arthur Kolker. Evangelium Lukas 19,28-40

Wenn das Volk aufhört zu schreien, werden die Steine schreien!
Hast du jemals Steine gehört die schreien. Wie du auch googlest, du wirst keine echten schreienden Steine
finden. Die gibt es einfach nicht.

Die Pharisäer aber wussten genau worüber Jesus redete. Es stammt aus den Worten eines kleinen Propheten,
Habakuk. In Kapitel 2 dieses Bibelbuch verurteilt der Prophet diejenigen, die auf böse Weise und auf Kosten
anderer Macht und Reichtum an sich reißen. Habakuk sagt, dass das Gericht sogar von ihren Häusern
ausgehen wird: „Die Steine der Mauer werden schreien“. Die Steine hören und bezeugen dann gegen diejenigen,
die in ihrer Gegenwart Unrecht getan haben. Diese Steine werden als Zeugen gegen dich dienen.“ Die Steine
werden gegen die Ungerechtigkeit aufschreien.

In einer anderen alttestamentlichen Geschichte erinnert Josua das Volk Israel an die Anforderungen, die es
erfüllen muss, um dem Herrn zu dienen. Josua stellt einen Stein unter einer Eiche auf. Dabei sagt er zu dem
ganzen Volk: Seht her, dieser Stein wird ein Zeuge sein gegen uns; denn er hat alle Worte des Herrn gehört, die
er zu uns gesprochen hat. Er soll ein Zeuge sein gegen euch, damit ihr euren Gott nicht verleugnet.

Wir kommen also zum Tor von Jerusalem. Die Jünger schreien, die Umhänge werden auf den Boden geworfen,
und anderen Berichten zufolge werden Palmen geschwenkt. Jesus reitet auf einem Eselsfohlen. Sie werden von den Pharisäern konfrontiert, die ihnen sagen, sie sollen den Mund halten. Hört auf mit dem Lärm, hört auf mit den Liedern über den Messias.
Dann sagt Jesus: „Wenn das Volk aufhört zu schreien, werden die Steine schreien“.

Wir denken hier an Steine, die „Hosianna“ schreien. Mit Blick auf das Alte Testament denke ich, dass die Steine als Zeugnis gegen
diejenigen schreien würden, die Schweigen verlangen – die Pharisäer, gegen ihre Ungerechtigkeit. Aber ich denke auch, dass die Steine gegen diejenigen aufschreien würden, die schweigen.

Steine werden nicht an unserer Stelle singen und schreien. Die Steine werden uns verurteilen, die Steine werden uns zur Umkehr auffordern. Die Steine werden uns auffordern zu schreien, zu verkünden und zu bekennen.

Wehe uns!
Wehe uns, die wir geschaffen worden sind für Frieden, aber zornige, gewaltreiche Leben führen.
Wir gestehen, dass wir täglich unsere Ängste und Bosheiten verschleiern und uns der Gewalt zuwenden, statt alle Gewalt mit deiner Gnade und Barmherzigkeit zu zerschmettern.

Wehe uns,
die wir unsere Verwundeten aus der Gesellschaft vertreiben, statt unseren Stolz zu verletzen und die Verwundeten mit Gnade zu verbinden. Wir fordern von uns selbst und der Welt Perfektion, statt uns selbst loszulassen in das einzige, was uns jemals für immer halten kann…

Deine Arme der Gnade
Deine Arme der Barmherzigkeit
Vergib uns!

Vergib uns unsere übervollen Teller. Während alle 3,6 Sekunden eine andere Person aufhört zu atmen, weil er oder sie wegen leerer Teller an Hunger stirbt.
Vergib uns wegen der einen Milliarde Menschen, die ihr ganzes Leben in Armut leben müssen.
Wehe uns!
Die wir mehr Sorgen haben um unser Image bei anderen, und die wir mit unseren Nachbarn mithalten wollen, aber damit unseren Glauben umwandeln in eine Täuschung, einen Schein, eine Fälschung und in Betrug.
Vergib uns!
Dass wir apathisch leben in einer Welt, in der es mehr Sklaven gibt als jemals in unserer Geschichte.
Denn sehr viel von unserer Kleidung, unserer Schokolade, unserem Kaffee und unseren Handys ist von Sklaven gemacht worden.
Dass wir uns mehr Sorgen machen darüber, wieviel Geld in unserer Geldbörse zurückbleibt, statt an diese Menschen zu denken!
Vergib uns!
Dass wir stolzer sind auf das, was wir im Spiegel sehen, als auf das, was du, Gott, in unseren Herzen siehst.
Das wir jedes Jahr mehr als 10 Milliarden Euro ausgeben für Gesichtslifting, Botox und nicht-notwendige ästhetische kosmetische Änderungen, wenn die Gleiche Summe Geld in 5 Jahren die Welt von Analphabetismus befreien würde.
Wenn die gleiche Summe alle Wasserprobleme und alle sanitären Probleme in der Welt lösen würde.
Vergib uns!
Vergib uns als Kirche
für üppige Gebäude, statt üppiger Liebe, für mächtige Arroganz und Beurteilung, statt tatkräftiger Barmherzigkeit,
für das Beschämen von Menschen, statt sie zu bekräftigen und zu stärken,
für unserer Bedürfnis, uns lieber in unseren Gebäuden aufzuhalten, statt niedrig zu werden und anderen zu
helfen.
Vergib uns das Betonen der Sünden unserer Gesellschaft, statt die eigenen Sünden der Kirche zu sehen.
Vergib uns!
Dass wir mehr Zeit auf Facebook, Instagram, Tiktok… verbringen, als unser Gesicht deinem Buch zuzuwenden.
Dass wir mehr den Sozialen Medien folgen, als deiner Art zu leben.
Für unsere Wünsche, Berufe zu haben, die größer oder grandioser sind als unsere Persönlichkeit.
Vergib, dass wir unsere Ängste füttern und dich ständig anbetteln uns zu helfen, statt dass wir unseren Glauben
stärken.
Dass wir unsere Bühne des Lebens und der Arbeit größer machen als unsere Menschlichkeit.
Vergib uns!
Dass wir dich als unseren Gott beanspruchen, aber schweigen von dir und deinem Reich.
Dass wir modische Kaffeebecher herumtragen, statt unser Kreuz zu tragen und unser Leben mit Liebe auszugießen.
Dass wir uns eine Arbeit wünschen, die von anderen gesehen wird, statt eine Arbeit für dein Reich, die von dir gesehen wird.
Dass wir der Größte aller sein wollen, statt der größte Diener zu sein.
Dass wir uns wünschen der oder die Erste in allem zu sein, statt zurückzugehen zu unserer ersten Liebe.
Vergib uns, dass wir in unseren Herzen Götterbilder machen, statt dich zum Herrn unserer Herzen zu
machen.
Vergib uns!
Dass wir deinen Ruhm und deine Ehre von dir wegnehmen,
dass wir fast nur im Übermaß an uns selbst denken, statt uns unnachgiebig auf dich zu fokussieren und
weniger an uns selbst zu denken.
Vergib uns für unseren sarkastischen Zynismus, dafür, dass wir uns kleiden in Negativität, weil wir einfach nicht
mutig genug sind, zu glauben.
Vergib uns für alle verpassten Gelegenheiten.
Vergib uns, dass wir die Menschen, die am Rande stehen nicht lieben, obwohl du uns erzählt hast, dass gerade am
Rande du am meisten anwesend bist.
Vergib uns, dass wir unsere Stundenpläne lieben, statt unsere Tagesordnung für dich zu unterbrechen.
Vergib uns, wir dich so wenig geliebt haben, weil wir uns selbst so viel lieben.
Wenn aber!
Du hast uns erzählt, dass du uns dann befreien wirst, wenn wir uns selbst erniedrigen, beten und unsere Herzen zu dir kehren!
Und wenn!
Wenn wir dein Gesicht suchen und unser Gesicht zu dir kehren, dann wirst du uns befreien.
Und dann!
Dann kannst du unsere Welt heilen mit deinem Kreuz und deiner Gnade!
Dann kannst du unsere gebrochenen Herzen heilen!
Dann!
In der Nähe von dir und in der Einheit mit dir in der Kommunion werden unsere Seelen gesehen.
Und werden unsere Ängste und Tränen berührt.
Werden wir aufgefangen in deiner brennenden Liebe für uns.
Wenn!
Wenn wir unsere Verletzungen in deine erlösende Liebe fallen lassen.
Wenn wir unsere Verletzungen verbinden und heilen lassen, und deine bedingungslose Liebe annehmen.
Wenn wir hören und antworten und uns öffnen!
Dann kommt er hinein!
Dann kommt er hinein!
Und dann!
Wird er mit uns feiern, mit uns allen!
Dann!
Dann werden wir wieder aufstehen.
Aus dem Dunkel heraus, werden wir auferstehen, werden wir mit ihm auferstehen.
Auferstehung kann entstehen.