Gedanken zum Evangelium des 3.8.2014

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Frauen und Männer aus unserer Gemeinde werden immer wieder von Pfarrer Norbert  eingeladen, ihre Gedanken zur den Lesungen eines Sonntags oder Feiertags allen Gottesdienstbesuchern vorzutragen.

Hier die Gedanken von Susanne Lehne zur Lesung aus  dem Matthäus-Evangelium 14. Kapitel, Verse13-21,  vom 3.8.2014

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

Ich weiss nicht, wie es Euch in den letzten Wochen ergangen ist, aber ich muss Euch gestehen, dass ich durch die Nachrichten von soviel Krieg und Leid und Elend in der Welt sehr verstört und oft recht verzagt bin. Dazu kommen dann noch persönliche Leidensgeschichten, die Menschen in meiner Umgebung mit mir geteilt haben. In dieser Situation hab ich mich dann gefragt, was kann uns heute die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung sagen? Können wir diese Botschaft vom Leben in Fülle überhaupt hören? Finden wir uns in dieser Geschichte wieder?

Die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung kommt sechs mal in den Evangelien vor (Mt 14,13-21; 15,32-39: Mk 6,35-44; 8,1-10; Lk 9,12-17; Joh 6,1-14) , öfter als irgendeine andere Geschichte. Nicht nur erzählt sie jeder der 4 Evangelisten, sondern Markus und Matthäus haben gleich zwei Versionen davon zu bieten. Sie ist also tief in der christlichen Überlieferung verankert und hatte von Anfang an Verbindungen zur Eucharistie. Die frühen Christen haben sich für ihre Eucharistiefeiern nicht nur auf das letzte Abendmahl bezogen, sondern neben unserer heutigen Wundergeschichte, waren die Erzählung von Jesu Mahlfeiern mit Sündern und Zöllnern und vorallem auch die Schilderungen der Mahlzeiten mit dem Auferstandenen am See Genesareth von grosser Bedeutung.

Wir erkennen im heutigen Evangelium deutlich die Echos der Eucharistiefeier: Jesus nahm die Brote, sprach den Lobpreis, brach sie, gab sie weiter und alle assen davon. Hingegen fällt uns auf, dass es keinen Becher mit Wein gibt, dafür aber seltsamerweise zwei Fische. Es findet sich auch kein Bezug zum Pessachopfer. Hier handelt es sich vielmehr um eine Geschichte, die auf das messianische Gastmahl am Ende der Zeiten anspielt, von dem uns die jüdischen Schriften immer wieder berichten. Unsere heutige erste Lesung aus Jesaja 55 enthält so eine Verheissung des eschatologischen Festmahls, bei dem jeder Durst gestillt wird und sich alle – ohne Gegenleistung und ohne Bezahlung – an den köstlichsten Speisen satt essen können.

Aber können wir, die wir hier im Überfluss leben und physischen Hunger nicht kennen, überhaupt mit diesen Bildern etwas anfangen? Wir wissen alle, dass es leider noch unendlich viele Menschen gibt, die unterernährt sind und hungern, ja sogar an Hunger sterben. Aber wir stumpfen ab und nehmen die Nachrichten darüber oft nicht mehr auf, sie werden zu Statistiken, die uns nicht mehr berühren. In gewisser Weise schützen wir uns auch vor zuviel Information und unsere Empathie kennt einfach Grenzen.

Schauen wir genauer auf das heutige Evangelium. Es beginnt mit der Nachricht der grausamen Ermordung von Johannes d. Täufer, die ja mit unserer Wundergeschichte scheinbar nichts zu tun hat. Aber dieser Kontext ist insofern wichtig, als wir sehen, dass auch Jesus unter Schock steht und leidet – er erfährt von dieser Greueltat und zieht sich an einen einsamen Ort zurück, um allein zu sein und um das zu verarbeiten. Wir kennen diese Reaktion nur zu gut.

Aber dann, als Jesus die vielen Menschen sieht, die ihm nachgegangen sind, hat er Mitleid und wendet sich ihnen und ihren Leiden zu. Und als es Abend wird, wollen die Jünger die Menschen wegschicken – sie sind pragmatisch und überlegen sich, dass es in den Dörfern leichter für alle wäre, sich zu verköstigen. Aber Jesus lässt sich nicht beirren, er will die Menschen nicht wegschicken. Statt dessen, fordert er seine Jünger auf, aktiv zu werden. Er dreht den Spiess um und fragt sie, was sie für Vorräte auftreiben können. Jetzt fällt der bedeutsame Satz:

„Gebt ihr ihnen zu essen!“ Sicher muss das den Jüngern verrückt vorgekommen sein, wie sollten sie soviele Menschen ernähren? Die Ausbeute ist in der Tat mager: 5 Brote und 2 Fische! Trotzdem fordert Jesus sie auf, sie ihm zu bringen. Dann schafft Jesus die Basis damit die Jünger helfen können. Er segnet, bricht und gibt ihnen das Brot, aber die Jünger sind es, die es an alle verteilen und dann wundersamerweise noch so viele Reste einsammeln. In der Art, wie Matthäus die Geschichte erzählt, liegt die Betonung weniger auf dem Wunder, trotz der grossen Zahl der 5000 Männer, nebst Frauen und Kindern. Vielmehr unterstreicht der Evangelist die Nähe zur Eucharistiefeier, die den Hörern und Lesern seines Evangeliums vertraut war.

In der Eucharistie bringen wir die Früchte der Erde dar, die uns geschenkt wurden. Wir bringen aber auch uns selbst dar, damit wir mit diesen Gaben gewandelt werden, damit wir unsere Selbstbezogenheit aufgeben lernen und offener werden für die Nöte der anderen. Wir brechen und teilen dieses Brot des Lebens in der Gegenwart des Auferstandenen, der uns Seinen Geist schenkt und uns befähigt, selbst für andere zur Brot-gabe zu werden. Er ruft uns zu: „Gebt doch ihr ihnen zu essen!“ Er traut uns das zu. Immer wieder, bei jeder Eucharistiefeier, lädt uns Jesus ein, die vielfältigen Formen des Hungers in der Welt zu stillen. Im Brechen und Teilen und Essen des Leibes Jesu werden wir hineingenommen in eine Gemeinschaft der Solidarität, wir bilden nach und nach einen Leib in dem alle Glieder voneinander abhängig sind und füreinander da sind. Das braucht natürlich lebenslange Einübung, ein stetes Eingestehen der eigenen Unzulänglichkeiten und die Bereitschaft zu neuen Anfängen.

Diesen Zusammenhang von eucharistischer Gemeinschaft und sozialer Verantwortung füreinander hat Dietrich Bonhoeffer in der Schrift „Gemeinsames Leben“ so beschrieben (ich zitiere:)

„Die Tischgemeinschaft der Christen bedeutet Verpflichtung. Es ist unser täglich Brot, das wir essen, nicht mein eigenes. Wir teilen unser Brot. So sind wir nicht nur im Geiste, sondern mit unserem ganzen leiblichen Wesen fest miteinander verbunden. Das eine Brot, das unserer Gemeinschaft gegeben ist, schließt uns zu einem festen Bund zusammen. Nun darf keiner hungern, solange der andere Brot hat, und wer diese Gemeinschaft des leiblichen Lebens zerstört, der zerstört damit auch die Gemeinschaft des Geistes. Unlöslich ist beides verbunden. Solange wir unser Brot gemeinsam essen, werden wir auch mit dem wenigsten genug haben. Erst wo einer sein eigenes Brot für sich selbst behalten will, fängt der Hunger an. Das ist ein seltsames Gesetz Gottes.“

So kann das Reich Gottes ansatzweise immer wieder dort sichtbar werden, wo Menschen, wie die Jünger im heutigen Evangelium, auf Jesu Wort hören, sich aufrütteln lassen, füreinander Verantwortung übernehmen und ihr Leben – ihre Güter, ihre Talente, ihre Zeit – mit anderen teilen.

In der Taufe sind wir berufen, uns in Liebe um andere zu kümmern, wie Jesus es uns vorgelebt hat. Kraft seiner Liebe zu uns, die er uns Tag für Tag ganz unverdient immer wieder neu schenkt, können wir vielleicht erahnen, was „Leben in Fülle“ sein könnte.

Wenn wir den Impuls haben, davonzulaufen, weil uns alles zuviel wird und wir uns hilflos fühlen, können wir Gott um seine Hilfe bitten, damit diese Gabe seiner Liebe, zur Auf-gabe und zur Hin-gabe werden kann – um diese empfangene Liebe an andere weiterzuschenken. Paulus sagt heute in der 2. Lesung, dass uns nichts von dieser Liebe Gottes scheiden kann, selbst die schlimmsten Leiden, die uns treffen können. Sie werden uns nicht abgenommen, aber Paulus bezeugt seine Erfahrung, dass die Liebe Gottes stärker ist als alles Leid dieser Welt.

Jesus braucht uns alle, jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns, um sein Reich aufzubauen. Er traut uns das zu, trotz unseres Egoismus und all unserer Schwächen. Wenn wir aufmerksam werden, wenn wir Interesse zeigen und hinschauen, wo es Not gibt, wenn wir uns von Dingen und Gewohnheiten lösen und verfügbar werden, können wir Jesu Werkzeuge in der Welt werden.

Dann sind wir sind seine Hände, seine Füsse, seine Augen und Ohren,
unsere Herzen und Lippen sind es,
durch die Jesus dann die Menschen anspricht und erreicht.

Susanne Lehne