Gedanken zu „Laudato si“ (31.12.)

0

Beim Jahresschlussgottedienst am 31.12.2022 hat DI Martin Krill (Pfarre Dornbach und Fachausschuss Schöpfungsverantwortung des Vikariats Wien Stadt) seine Gedanken zum gelesenen Evangelium, zur Schöpfungsverantwortung und zur päpstlichen Enzyklika „Laudato si“ gesprochen. Hier sind sie schriftliche festgehalten.

Das gelesene Evangelium war Mk 12,41-44
Jesus setzte sich nun in die Nähe des Spendenkastens im Tempel und beobachtete die Leute, die ihre Gaben einwarfen. Viele Reiche spendeten hohe Beträge. Dann aber kam eine arme Witwe und warf zwei der kleinsten Münzen in den Opferkasten. Da rief Jesus seine Jünger zu sich. „Ich versichere euch“, erklärte er ihnen, „diese arme Witwe hat mehr gespendet als alle anderen. Die Reichen haben nur etwas von ihrem Überfluss gegeben, aber diese arme Frau hat mit ihren letzten Münzen sich selbst verschenkt.“

Gedanken von Martin Krill:

ich wurde ersucht, heute zum Jahresabschluss den Predigtdienst in Ihrer Gemeinde zum Thema „Laudato si“ und Schöpfungsverantwortung zu übernehmen, was ich sehr gerne tue – danke für die Einladung dazu!

Laudato si´, oft und sicher zu Recht auch als „Umweltenzyklika“ bezeichnet, ist – Zitat Papst Franziskus: „Angesichts der weltweiten Umweltschäden an jeden Menschen gerichtet, der auf diesem Planeten wohnt.“ Wohl auch deshalb ist dieses Schreiben unseres Papstes sehr leicht zu lesen und ich kann es Ihnen wirklich wärmstens ans Herz legen, sollten Sie diese Enzyklika nicht ohnehin schon gelesen haben.

In meinen heutigen Gedanken möchte ich mich nur auf einen Aspekt beschränken, die Frage nach der persönlichen Verantwortung eines jeden Christen in Bezug auf den Schutz unserer Schöpfung, aber auch generell in dieser Welt.
Man kann sich ja zu Recht die Frage stellen, was persönliches Handeln bringen soll, wenn man sich die Entwicklung der Welt, im Speziellen der Umwelt ansieht.
Da soll zum Beispiel mehr Wald gepflanzt werden, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden, und dann werden unsere Regenwälder bewusst niedergebrannt oder Wälder werden aufgrund von immer intensiveren Dürren vermehrt ein Raub der Flammen.
Da sollen die CO2-Emissionen gesenkt werden, aber sie steigen trotz aller schrillenden Alarmsirenen unseres Planeten fast überall auf der Welt weiter.
In einzelnen Regionen oder Bereichen werden Fortschritte bei Klimaschutz erzielt, in anderen Teilen der Welt schert man sich anscheinend überhaupt nicht darum.
Ja, da kann man sich schon zu Recht die Frage stellen, warum wir uns als einzelne Personen um die Bewahrung der Schöpfung und um den Klimaschutz bemühen sollen, oder ob unser persönliches Handeln nicht ggf. sinnlos ist.

Bei diesen berechtigten Fragen und Zweifeln gibt mir aber mein christliches Glaubensverständnis doch eine klare Antwort. Und diese fußt auf dem Evangelium, das wir zuvor gehört haben.
Jesus setzte sich nun in die Nähe des Spendenkastens im Tempel und beobachtete die Leute, die ihre Gaben einwarfen. Viele Reiche spendeten hohe Beträge. Dann aber kam eine arme Witwe und warf zwei der kleinsten Münzen in den Opferkasten. Da rief Jesus seine Jünger zu sich. „Ich versichere euch„, erklärte er ihnen, „diese arme Witwe hat mehr gespendet als alle anderen.“
Wenn wir diese Situation betrachten, könnte man wohl auch als Außenstehender sagen: Was bringt den dieser minimale Beitrag der alten Frau. Zwei der kleinsten Münzen hat sie in den Opferkasten geworfen. Das ist doch lächerlich. Was soll das jemandem helfen, ist doch viel zu wenig, um irgendetwas Sinnvolles damit tun zu können. Ein Tropfen, auf dem heißen Stein, könnte man sagen.
Aber Jesus versichert uns – gibt uns also Sicherheit, dass die Perspektive Gottes eine andere ist. Er erklärte ihnen: „Ich versichere euch, diese arme Witwe hat mehr gespendet als alle anderen.“
Für Gott ist diese Tat des Guten, die augenscheinlich unwesentlich und minimal ist, wichtiger als all die hohen Beträge der Reichen.
Das muss uns ChristInnen doch zu denken geben, und uns aus unserem Glauben heraus ermutigen zu noch so unwichtig erscheinenden Taten des Guten – und uns Hoffnung geben, dass diese Taten nicht sinnlos sind.

Weil wie könnten wir dies behaupten, wenn unser Herr Jesus Christus, der uns Gottes Sicht in unserer menschlichen Welt dargelegt hat, uns genau das Gegenteil versichert? Wir würden uns mit so einer Ansicht gegen das Prinzip unseres Gottes stellen, ihm widersprechen.
Wenn Jesus also diese minimale Opfergabe eines armseligen Menschen so hervorhebt und seinen Jüngern als glänzendes Beispiel eines gottgefälligen Handelns darstellt, ja bitte, dann nehmen wir ChristInnen dieses Beispiel doch in voller Überzeugung an, dass auch unsere kleinen Taten des Guten in Gottes Augen wertvoll sind.
In diese Richtung gehen auch Zitate von Papst Franziskus in Laudato si´:
Kapitel 19: „Das Ziel ist … zu erkennen, welches der Beitrag ist, den jeder Einzelne leisten kann.“
Kapitel 180: „Es gibt so vieles, was man tun kann.“
Kapitel 211: „Es ist sehr nobel, es sich zur Pflicht zu machen, mit kleinen alltäglichen Handlungen für die Schöpfung zu sorgen, …“
Kapitel 217: „Die Berufung, Beschützer des Werkes Gottes zu sein, praktisch umzusetzen gehört wesentlich zu einem tugendhaften Leben; sie ist nicht etwas Fakultatives, noch ein sekundärer Aspekt der christlichen Erfahrung.“

Selbst wenn wir es aber nicht bei der Erfüllung des Willens Gottes belassen wollen, reicht auch ein Blick in die Geschichte, um uns zu zeigen, wie aus scheinbar sinnlosen, unwesentlichen Taten von einzelnen Menschen dann doch ganz Großes entstanden ist:
Denken wir an Mahatma Gandhi: Ein unbedeutender indischer Rechtsanwalt erreichte mit seinen Ideen von gewaltfreien Aktionen und zivilem Ungehorsam nach ca. 30 Jahren das Ende der britischen Kolonialherrschaft über Indien.
Ein bekanntes Zitat von ihm, das er selbst in seinem Leben umgesetzt hat: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

Oder wenn ich jetzt auf Entwicklungen im Umweltbereich schaue:
Da fährt der Privatmann David McTaggart 1972 mit einem kleinen Segelboot in die Gewässer um das Mururoa-Atoll, wo das übermächtige Frankreich Atombombentests durchführen möchte und mit seinen großen Kriegsschiffen patrouillierte. Schlussendlich musste Frankreich dieses Tests aufgrund der internationalen Proteste beenden und mit dieser Aktion ist Greenpeace zur heute größten Umweltschutzorganisation der Welt geworden, die mit Millionen UnterstützerInnen einen ganz wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt leistet.

Oder blicken wir auf Greta Thunberg. Ein unscheinbares, damals 15-jähriges Mädchen, setzt sich mit einem Schild „Schulstreik für das Klima“ vor das schwedische Parlament. Wir alle hätten das doch als völlig wirkungslos eingeschätzt, wenn wir damals an ihr vorüber gegangen wären. Wir hätten sie wohl belächelt oder sogar bemitleidet. Daraus wurde aber innerhalb kürzester Zeit eine weltweite Klimaschutzbewegung, die „Fridays for Future“, die folglich Millionen von Menschen friedlich für den Klimaschutz auf die Straße gebracht hat, und eine Aufmerksamkeit für den Klimaschutz geschafft hat, den die Wissenschaft, politische Parteien und sonstige Organisationen in Jahrzehnten nicht geschafft haben.
Man könnte die Liste wohl noch lange fortsetzen. Also zeigt sich doch auch in der Realität, dass aus kleinem, unscheinbarem Einsatz für das Gute Großes entstehen kann.

Passend dazu auch ein Zitat der US-amerikanische Anthropologin Margaret Mead: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.“

Nun lassen Sie mich aber wieder den Bogen zu unserem christlichen Glauben spannen. Ich bin in der Kalvarienbergkirche groß geworden unter dem damaligen Pfarrer Johann Koller. Er hat mich mit seinen Predigten in meinem Glauben stark geprägt. Folgende Worte aus einer seiner Predigten sind mir heute noch in Erinnerung. Er sagte sinngemäß, dass es unsere Aufgabe und Verantwortung ist, unseren persönlichen Beitrag als Christ in dieser Welt zu leisten. Jeder mit dem Einsatz und den Talenten, die er mitbringt und in seiner konkreten Situation leisten kann.
Vielleicht hat auch Papst Franziskus Johann Koller predigen gehört. Er sagt nämlich in Laudato si´ in ähnlicher Weise in Kapitel 14: „Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus.“
Und Pfarrer Koller führte dann weiter aus: Diesen unseren Einsatz dürfen wir dann vor Gott legen mit den Worten: Das ist mein Beitrag, das kann ich tun, und den Rest darf ich getrost dir überlassen und dir anvertrauen. Mache du daraus, was deinem Willen entspricht. Ich darf mein kleines, ggf. unzulängliches Werk dir und deiner Güte anvertrauen. Vielleicht wird in deiner Vorsehung etwas Großes daraus, vielleicht nur etwas Kleines. Ich darf dir meinen Einsatz jedenfalls vertrauensvoll übergeben.
Oder wie Papst Franziskus es in Laudato si´ Kapitel 80 formuliert: „… Gott, der gemeinsam mit uns handeln und auf unsere Mitarbeit zählen möchte…“
Oder in Laudato si´ Kapitel 212: „Man soll nicht meinen, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern. Diese Handlungen verbreiten Gutes in der Gesellschaft, das über das Feststellbare hinaus immer Früchte trägt, denn sie verursachen im Schoß dieser Erde etwas Gutes, das stets dazu neigt, sich auszubreiten, manchmal unsichtbar.

Vielleicht helfen auch Ihnen diese Gedanken, Lethargie, Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, negative Einstellungen und Worte, die uns und andere hinunterziehen, zu überwinden.
Für Gott sind unsere guten Taten jedenfalls wertvoll – denken wir immer wieder an das Evangelium der armen Witwe.
Gott kann auch aus Kleinem ganz Großes entstehen lassen – denn „für Gott ist nichts unmöglich“.
Schöpfen wir daher Hoffnung aus unserem Glauben, dass unser Einsatz für die Schöpfung nicht sinnlos ist, und belassen wir es nicht beim Hoffen allein, sondern setzen wir auf Basis dieser Hoffnung dann auch konkrete Schritte. Jeder/jede. Jetzt. Um eine Klimakatastrophe in den kommenden Jahren noch abzuwenden, ist Handeln notwendig. Wir haben keine Zeit und keinen Grund mehr, nicht umgehend, konsequent und ambitioniert zur Bewahrung unserer Schöpfung zu handeln. Unser persönlicher Beitrag dafür ist nicht sinnlos, nicht für die Welt und ganz sicher nicht in den Augen Gottes.

DI Martin Krill
Pfarrgemeinderat und Umweltbeauftragter der Pfarre Dornbach Mitglied des Vikariats-Fachausschusses Schöpfungsverantwortung Geschäftsführender Gesellschafter des Planungsbüros PROFES