Gedanken zu den Sonntagsbibelstellen – 3.11.

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Auch nach dem Sommer 2013 wurden Frauen und Männer aus unserer Pfarrgemeinde von Pfarrer Norbert eingeladen, in einzelnen Messen ihre Gedanken zur den Lesungen des Sonntags mit allen Gottesdienstbesuchern zu teilen.

Hier die Gedanken von Michael Steidl zu Weish 11, 22 – 12, 2 und Lk 19, 1-10 vom 3.11.2013:

Wir alle können uns doch eigentlich nur freuen über das heutige Evangelium. Das Evangelium des letzten Sonntags wurde als eines, in dem es um Verlierer geht, angekündigt. Heute könnte man auf einen ersten Blick hin sagen: da geht es nur um Gewinner. Zächaus, der Außenseiter, wird von einem Prominenten besucht und so zumindest wieder etwas aufgewertet, Jesus gewinnt einen weiteren Anhänger und die Armen gewinnen einen großzügigen Spender, immerhin geht es um die Hälfte eines wahrscheinlich nicht kleinen Vermögens. Manche mögen sagen, dass ist ein Geschichte, wie sie nicht nur im Bilderbuch, sondern auch im Quartalsbericht eines börsennotierten Unternehmen stehen könnte.

So weit, so gut – könnte man sagen.

Aber ich muss sie enttäuschen, ich wage einen zweiten Blick – und es wird doch nicht die kürzeste Predigt des Jahres.

Für mich war der zweite Blick sehr herausfordernd, denn ich fragte mich: was ist da zwischen diesen beiden, dem Zächaus und dem Jesus, damals passiert? Denn dieses Evangelium ist eine Stelle, in der es nicht um Bilder in Form von Gleichnissen, nicht über Reflexionen von etwas Geschehenem, sondern um ein Geschehen pur geht. Man könnte sagen, diese Stelle könnte locker als Vorlage für das Drehbuch eines Kurzfilms dienen.

Ich habe versucht, mir diese Szene in meinem Kopf auszumalen.

Da ist dieser kleinwüchsige Zachäus. Er hat Interesse an Jesus und drückt dieses auch deutlich aus. Wahrscheinlich sind damals nicht auf jedem Baum irgendwelche Leute gesessen, es wird schon auffällig gewesen sein. Er tritt damit aber auch mit Jesus in Verbindung, durch seine Handlung, durch seine Körpersprache sagt er ihm „du bist interessant für mich, ich mag dich“.

Und Jesus hat wohl einen Blick voll Empathie gehabt. Der heuer verstorbene Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher hatte einmal in einer Predigt sehr klar gesagt: ohne Einfühlung in den Anderen, ohne diese Empathie gibt es keine Seelsorge, keine Pastoral. Mit diesem Blick hat Jesus hat auf das Zeichen des Zachäus reagiert. Und da vermute ich, dass der geschätzte Schreiber dieser Evangeliumsstelle untertrieben hat. Nein, Jesus hat nicht nur „gesagt“, er wird wohl gerufen haben: „Komm Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.“

Darauf hat Zachäus deutlich ergriffen reagiert. Er hat Jesus nicht nur zum Essen eingeladen.  Er hat auch gezeigt, dass er begriffen hat, worum es Jesus geht – und darum hat er doch viel Geld aus seinem Sack den Armen und den von ihm Betrogenen gegeben, so viel Geld, dass es ihm wahrscheinlich aus finanzielle Sicht auch etwas weh getan hat.

Beim Lesen und Ausmalen dieser Stelle habe ich mir die Frage gestellt: kann so etwas heute, mitten unter uns wieder passieren? Kann so etwas mir passieren?

Die erste Frage ist wohl: wo höre ich eine solche persönliche Aufforderung Jesu? Der auch bei uns in Gersthof bekannte Psychologe und Theologe Arnold Mettnitzer schreibt in seinem kürzlich erschienen Buch1) man könne darauf vertrauen, dass die berühmte „Innere Stimme“ jedes Menschen solche Anrufungen Gottes weitergibt. Also: darauf vertrauen, auf diese Stimme hören – und das Gehörte ernst nehmen.

Die zweite Frage ist dann: wie reagiere ich darauf? Zachäus hat einen sehr klaren Schluss gezogen: wenn ich vom Heil Gottes etwas haben darf, dann muss auch ich heilgebend etwas tun. Und er hat etwas davon gegeben, wovon er wusste, dass es sicher nicht  heilgebend zustande gekommen war. Er hat aber vor allem eines getan: er hat einen nüchternen Blick auf sein Leben geworfen, hat seine Verfehlungen, seinen Betrug, eingestanden und die Versöhnung mit davon betroffenen gesucht. Die erste Lesung von heute, aus dem Buch der Weisheit, sagt mir dazu: ein Umgang mit Schuld und Sühne, der sich nicht am Rechthaben und verurteilen orientiert, sondern an Bekehrung und Liebe war schon zu Jesus Zeiten nicht neu – das ist schlicht etwas, was damals und heute von jedem selbst umgesetzt werden muss. Ja, das verstehe ich als eine sehr konkrete Anrufung an mich.

Und zuletzt habe mich mir gedacht: toll, was alles in nur 10 Versen gesagt, weitergegeben werden kann. Da brauche ich keine dicken Bücher etwa über Beichte und Versöhnung, ich brauche mir nur diese Evangeliumsstelle vor mein geistiges Auge halten.

Und ich lade Euch, Sie, Dich ein, dies auch zu tun. Vielleicht können wir nach der Messe in der Osterkapelle noch ein paar Gedanken dazu austauschen2).

Michael Steidl

1) Arnold Mettnitzer, Steh auf und geh – Die therapeutische Kraft biblischer Texte, Styria, 2013

2) Am 3.11. waren die Mitfeiernden der 10 Uhr-Messe eingeladen, danach in der Osterkapelle der Pfarrkirche zusammenzukommen und ihre persönlichen Gedanken zu den Bibelstellen mit den anderen zu teilen. 10 Personen haben von dem Angebot Gebrauch gemacht.

 

Eine Übersicht der Nachlesen ist hier zu finden.